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Die Besteuerung von Nachlässen und unentgeltlichen Zuwendungen (libéralités) in Frankreich

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1 Einordnung und Grundprinzipien


Frankreich gehört seit Jahrzehnten zu den wenigen OECD-Staaten, die eine doppelte Erbschaft- und Schenkungsteuer (droits de mutation à titre gratuit – DMTG) konsequent erheben. Der Gesetzgeber verfolgt dabei vier Leitgedanken:

  1. Finanzierung des Sozial- und Bildungssystems durch einen progressiven Zugriff auf große Privatvermögen.

  2. Familienförderung durch hohe Freibeträge in direkter Linie.

  3. Prävention von Steuergestaltungen per Einbezug der letzten 15 Jahre an Schenkungen.

  4. Attraktivität für Unternehmensfortführung durch spezifische Vergünstigungen (pacte Dutreil).


Anders als Deutschland (ErbSt und SchenkSt in einem Bundesgesetz), Österreich (Erb-/SchenkSt seit 2008 abgeschafft) oder die Schweiz (kantonale Erbanfall- beziehungsweise Nachlasssteuer) regelt Frankreich Erbschaften und Schenkungen zentral in den Artikeln 757 bis 779 des Code général des impôts (CGI).



2 Persönliche und sachliche Steuerpflicht


2.1 Erbschaften


Die DMTG knüpft an den Steuerwohnsitz des Erblassers oder des Erben an (Art. 750 ter 1° CGI). Wohnten beide in den letzten sechs Jahren vor dem Tod wenigstens ein Jahr in Frankreich, wird der gesamte weltweite Nachlass besteuert. Ist nur der Nachlass in Frankreich belegen, greift die Steuer ebenfalls, unabhängig vom Wohnsitz.


2.2 Schenkungen


Bei Schenkungen genügt, dass entweder Schenker oder Beschenkter im Zeitpunkt der Zuwendung seinen steuerlichen Wohnsitz in Frankreich hat; in diesem Fall unterliegen alle übertragenen Vermögenswerte – weltweit – der französischen Schenkungsteuer (Art. 750 ter 2° CGI).



3 Bemessungsgrundlage und Bewertung


  • Aktiver Nachlass: Verkehrswerte sämtlicher Vermögenswerte (Immobilien, Wertpapiere, Bankguthaben, Hausrat).

  • Passiver Nachlass: Abzugsfähig sind Schulden, Erbfallkosten, Steuerrückstände.

  • Bewertungsstichtag: Todestag bzw. Schenkungstag; Immobilien können mit einer – strafbewehrten – Marktminderung von maximal 10 % bewertet werden (Toleranz der Verwaltung).

  • Lebzeitige Schenkungen der letzten 15 Jahre werden zum aktuellen Marktwert hinzugerechnet (Art. 784 CGI).



4 Freibeträge (Abattements)

Verwandtschaftsgrad

Freibetrag pro Zuwendung

Gesetzesgrundlage

Erneuerbar nach

Kind / Eltern

100 000 €

Art. 779 I

Enkel

31 865 €

Art. 790 B

15 Jahren

Ehegatte / PACS-Partner

steuerfrei

Art. 796-0 ter

n. z.

Behinderter Erbe (zusätzlich)

159 325 €

Art. 779 bis

15 Jahren

Andere Erben (Geschwister, Neffen …)

15 932 € / 7 967 €

Art. 779 II/III

15 Jahren

Sonderfreibetrag 2025–2027: Für Geldschenkungen, die in die Erstanschaffung oder energetische Sanierung der Hauptwohnung des Begünstigten fließen, gilt ein zusätzlicher Freibetrag von 100 000 € pro Spender (Gesetz Finances 2025, Art. 790 A bis).



5 Progressiver Steuertarif


Nach Abzug des Freibetrags wird die Nettoerwerbs­summe im Spitzensatztarif besteuert:

Steuerklasse

steuerpflichtiger Erwerb (nach Abzug)

Steuersatz

Eltern ↔ Kinder (ligne directe)

0–8 072 €

5 %


8 073–12 109 €

10 %


12 110–15 932 €

15 %


15 933–552 324 €

20 %


552 325–902 838 €

30 %


902 839–1 805 677 €

40 %


> 1 805 677 €

Für Geschwister und entferntere Verwandte gelten eigene Tarife bis 60 %. Nichtverwandte (Lebensgefährte ohne PACS, Freunde) zahlen 60 % Pauschalsteuer.



6 Besondere Vergünstigungen


  1. Versicherungsverträge (Assurance-vie): Auszahlungen an Begünstigte sind bis 152 500 € pro Erblasser steuerfrei, sofern Prämien vor dem 70. Geburtstag gezahlt wurden (Art. 990 I CGI).

  2. Unternehmensvermögen (pacte Dutreil): 75 % Steuerbefreiung für Betriebsanteile, wenn Halte- und Fortführungspflichten (2 + 4 Jahre) erfüllt werden (Art. 787 B).

  3. Ehewohnung: Der überlebende Ehegatte/PACS-Partner erhält Nießbrauch oder lebenslanges Wohnrecht steuerfrei (Art. 764 bis).

  4. Öko-Freibetrag 2025: 30 % Abzug der energetischen Renovierungskosten von der steuerpflichtigen Nachlassmasse für Gebäude > 20 Jahre (Loi finances 2025 Art. 84).



7 Fristen, Erklärung, Zahlung


  • Erbschaft: Erklärung innerhalb von 6 Monaten nach Tod (12 Monate bei Auslandsvermögen). Zahlung grundsätzlich sofort oder in Raten über 1–3 Jahre (Art. 1717).

  • Schenkung: Notar meldet elektronisch binnen eines Monats; Geldschenkungen per Banküberweisung mit Formular 2735, Selbstveranlagung bis Monatsende.

  • Zinssatz für Stundung: 0,4 % pro Monat (2025), Säumniszuschlag 10 %.



8 Einbeziehung früherer Schenkungen – rapport fiscal


Bei der Ermittlung des Steuersatzes werden Schenkungen der letzten 15 Jahre fiktiv zusammengerechnet; dadurch steigt die Progressionsstufe. Nur der tatsächlich steuerpflichtige Teil der neuen Zuwendung wird besteuert, Vermeidung aber lediglich durch Einhaltung des 15-Jahres-Abstands.



9 Optimierungsstrategien


  1. Nue-propriété/Usufruit-Modell: Übertragung der bloßen Eigentumssubstanz an Kinder, Vorbehalt des Nießbrauchs. Der Besteuerungswert richtet sich nach Alterstabellen (Art. 669 CGI) – je jünger der Schenker, desto niedriger der Wert.

  2. Donation-partage conjonctive: Vermögen wird unter Kindern aufgeteilt; der steuerliche Wert fixiert sich endgültig am Tag der Schenkung, spätere Wertsteigerungen bleiben steuerfrei.

  3. Kettendotation: Großeltern → Eltern → Enkel. Durch Abstandsregel nutzen drei Generationen je eigene Freibeträge.

  4. Verbindung mit Ehevertrag (Clause de préciput): Ehepartner kann bestimmte Vermögensgegenstände vorweg steuerfrei herausnehmen.



10 Internationales Steuerrecht


10.1 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)


Frankreich verfügt mit Deutschland (1959), Österreich (1959) und der Schweiz (1953) über Erbschafts-DBA. Sie regeln:

  • Immovables: stets Besteuerung im Belegenheitsstaat.

  • Movables: grundsätzlich Wohnsitzprinzip.

  • Anrechnungsmethode: Frankreich zieht ausländische Steuer auf die eigene an (Art. 784 A CGI); bei überschießender französischer Steuer bleibt die Differenz.


10.2 Beispiel Deutschland


Ein in München lebender Deutscher erbt ein Haus in Marseille (€ 600 000). Frankreich besteuert es mit 20 % nach Freibetrag (Erwerb < 552 324 €). Die deutsche ErbSt (§ 21 ErbStG) unterliegt Anrechnung; da der Steuersatz in Deutschland für Auslandsimmobilien 0 % ist (Inlandskirsch­fall), bleibt nur die französische DMTG.



11 Vergleich zu D-A-CH

Kriterium

Frankreich

Deutschland

Österreich

Schweiz (ZH)

Steuerart

Erbanfall- und Schenkungsteuer

Erbanfall-/SchenkSt

2008 abgeschafft

Nachlass- oder Erbanfallsteuer kantonal

Freibetrag Kind

100 000 €

400 000 €

200 000 CHF (ZH)

Spitzensteuersatz Kind

45 %

30 %

27 %

Ehegatte

steuerfrei

steuerfrei

meist steuerfrei

Unternehmens­begünstigung

75 % (Dutreil)

85 % (§ 13a ErbStG)

kantonal verschieden


12 Aktuelle Reformtrends


  • Digitalisierung: Pflicht zur elektronischen Erbschaftserklärung (> 1 Mio €) ab 2025.

  • Transparenzregister für Lebensversicherungen, automatische Meldung > 150 000 €.

  • Green-Inheritance-Credit: 10 % Steuerrabatt auf Erbschaftsteuer bei nachweisbarer Investition in energetische Sanierung binnen zwei Jahren (Pilot 2025-2027).

  • Debatte um Progression: Berichte des Conseil des prélèvements obligatoires fordern Reduzierung kleiner Nachlässe und stärkere Besteuerung > 4 Mio €



Schlussbemerkung


Frankreich verbindet eine progressive Erbenbesteuerung mit hohen Freibeträgen und einer Vielzahl technischer Instrumente zur Optimierung. Wer frühzeitig lebzeitige Schenkungen staffelt, Nießbrauchmodelle nutzt und gesellschaftsrechtliche Strukturen (SCI, SARL) einsetzt, kann die steuerliche Gesamtbelastung drastisch senken – selbst im Licht der neuen, ökologisch motivierten Frei­beträge.


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