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Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Frankreich und Deutschland auf dem Gebiet der Einkommen- und Vermögensteuer: Ausführlicher Kommentar

  • Rodolphe Rous
  • 3. Apr.
  • 14 Min. Lesezeit



Die zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Konvention über die Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie über die gegenseitige Verwaltungs- und Rechtshilfe in Bezug auf Einkommen- und Vermögensteuern und hinsichtlich der Gewerbesteuer und Grundsteuer bildet einen Grundpfeiler der steuerlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern.


Durch verschiedene Änderungsprotokolle (1969, 1989, 2001, 2015) und Verständigungsvereinbarungen regelmäßig ergänzt und angepasst, bleibt das deutsch-französische Doppelbesteuerungsabkommen (im Folgenden „Abkommen“ genannt) bis heute ein zentrales Element des internationalen Steuerrechts für Steuerpflichtige, Unternehmen, Rechtsanwaltskanzleien und Finanzbehörden.


Es legt einen gemeinsamen Rahmen an Definitionen und Prinzipien fest, der folgende Ziele verfolgt:

  • Vermeidung der Doppelbesteuerung, d. h. die Verhinderung, dass dieselben Einkünfte oder dasselbe Vermögen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland zweimal besteuert werden;

  • Regelung der Aufteilung des Besteuerungsrechts entsprechend der Einkunftsart (Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, Kapitalgewinne, Löhne und Gehälter usw.);

  • Einrichtung von Streitbeilegungsmechanismen, insbesondere durch Verständigungsverfahren oder Schiedsverfahren;

  • Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug durch einen – mehr oder weniger weitgehenden – Informationsaustausch und gegenseitige Unterstützung bei der Steuerbeitreibung;

  • Festlegung spezifischer Vorschriften für Grenzgänger und Unternehmen, die im jeweils anderen Staat tätig sind.


Angesichts der europäischen Integration, der zunehmenden Mobilität natürlicher Personen (Studierende, Arbeitnehmer, Rentner) und der Ausweitung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivitäten (Tochtergesellschaften, Joint Ventures, internationale Unternehmenskäufe) ist ein gutes Verständnis der Bestimmungen des Abkommens unverzichtbar. Unabhängig davon, ob man Privatperson, Unternehmer oder Fachanwalt für Steuerrecht ist, sollte man die Feinheiten dieses Textes kennen. Denn er bestimmt, wie Frankreich und Deutschland ihre Besteuerungskompetenzen abgrenzen und beeinflusst so unmittelbar die letztendliche Steuerlast der Steuerpflichtigen.


Der vorliegende Kommentar verfolgt das Ziel:

  • Eine allgemeine Darstellung des Abkommens (Geltungsbereich, wesentliche Prinzipien);

  • Eine detaillierte Untersuchung Artikel für Artikel (thematisch gruppiert, um die Lesbarkeit zu erhöhen);

  • Eine praxisorientierte Sicht anhand einiger konkreter Beispiele und einer Erinnerung an die Verständigungs- und Schiedsverfahren.


Wir bemühen uns um einen klaren, präzisen, aber zugänglichen Stil, damit jede Leserin und jeder Leser nach der Lektüre über nützliche, in der Praxis anwendbare Erkenntnisse verfügt.


I. Allgemeine Darstellung des Abkommens


A. Hintergrund und historischer Kontext


Kontext bei Abschluss des Abkommens (1959)


Die deutsch-französische steuerliche Zusammenarbeit, die in der Nachkriegszeit ihren Anfang nahm, steht exemplarisch für das Bemühen beider Staaten, die Beziehungen zu entspannen und zu vertiefen.


Der ursprüngliche Text, der am 21. Juli 1959 in Paris unterzeichnet wurde, ersetzte das Abkommen vom 9. November 1934, dessen Bestimmungen aufgehoben wurden. Damit schuf man einen moderneren Rechtsrahmen, der den damaligen Herausforderungen besser entsprach.


Das Hauptziel war, eine mehrfache Besteuerung grenzüberschreitender Einkünfte zu unterbinden, da eine solche mehrere Besteuerungen eine wirtschaftliche Wiederbelebung und grenzüberschreitende Investitionen hätte erschweren können.


Die verschiedenen Änderungsprotokolle


  • Änderungsprotokoll vom 9. Juni 1969: Es überarbeitete insbesondere die Besteuerungsvorschriften für Mutter- und Tochtergesellschaften (Dividenden) und regelte Fragen zur „Betriebsstätte“.

  • Änderungsprotokoll vom 28. September 1989: Es schuf mehr Klarheit bei der Besteuerung bestimmter Einkunftsarten, modernisierte die Mechanismen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und intensivierte die Verwaltungszusammenarbeit.

  • Änderungsprotokoll vom 20. Dezember 2001: Es führte Präzisierungen zur Quellenbesteuerung, zum Mutter-Tochter-Verhältnis und zu bestimmten Vorschriften betreffend Wertpapiere ein.

  • Änderungsprotokoll vom 31. März 2015: Es führte u. a. die Artikel 13a und 13c ein, passte die Vorschriften zum Informationsaustausch, zur Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung an und aktualisierte den Anwendungsbereich mehrerer Artikel (Dividenden, Kapitalgewinne, Grenzgänger usw.).


Sinn und Zweck des Abkommens


Das Abkommen verfolgt drei zentrale Ziele:

  • Vermeidung von Doppelbesteuerungen: Es ordnet jeder Einkunfts- oder Vermögenskategorie jeweils einem Staat das Besteuerungsrecht zu und verteilt so die Bemessungsgrundlage;

  • Bekämpfung der Steuerhinterziehung: Über einen Informationsaustausch und eine gegenseitige Amtshilfe;

  • Schaffung eines stabilen Rechtsrahmens für die Wirtschaftsbeteiligten, um Investitionen, Mobilität und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern.


B. Aufbau des Abkommens


Das Abkommen umfasst:


  • 31 Artikel, die die grundlegenden Regelungen enthalten (Definitionen, Einkunftsarten, Vermögensbesteuerung, Mechanismen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Gleichbehandlung, Amtshilfe);

  • Ein Protokoll, das Bestandteil des Vertrags ist und diverse praktische Punkte präzisiert;

  • Einen Briefwechsel vom 21. Juli 1959, der spezifische Erläuterungen enthält;

  • Mehrere Änderungsprotokolle (1969, 1989, 2001, 2015), die jeweils eigene Regeln zum Inkrafttreten haben und einzelne Artikel anpassen oder ersetzen.


Diese Struktur unterstreicht, wie komplex das Abkommen ist. Praktiker müssen stets die jeweils aktuelle Fassung der einzelnen Artikel berücksichtigen, wie sie durch die Protokolle geändert wurde.


C. Prinzip der Vermeidung der Doppelbesteuerung


Das Abkommen sieht zwei Hauptmethoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung vor:

  1. Freistellung (auch „Befreiungsmethode“): Ein Staat verzichtet auf die Besteuerung bestimmter Einkünfte und überlässt sie dem anderen Staat (ggf. unter Beibehaltung der Progression zur Festlegung des Steuersatzes, sogenannter Progressionsvorbehalt).

  2. Anrechnung (auch „Tax Credit“): Die im anderen Staat gezahlte Steuer wird auf die geschuldete Steuer im Wohnsitzstaat angerechnet.


Diese Methoden können je nach Art der Einkünfte kombiniert werden. Mitunter sind Einkünfte ausschließlich im Wohnsitzstaat oder ausschließlich im Quellenstaat zu besteuern; teils wird das Besteuerungsrecht geteilt (Quellensteuer mit Höchstsatz + Restbesteuerung mithilfe eines Steuerguthabens).


II. Detaillierte Analyse der Abkommensartikel


A. Geltungsbereich, Definitionen und Grundsätze (Artikel 1 und 2)


1. Artikel 1: Persönlicher Anwendungsbereich und erfasste Steuern


  • Artikel 1(1): Bestimmt die betroffenen Personen, nämlich „Ansässige eines Vertragsstaats“.

    • Als „Ansässiger“ im Sinne des Abkommens gilt jede Person, die nach den Rechtsvorschriften dieses Staates aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, Sitzes der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Kriteriums steuerpflichtig ist.

  • Artikel 1(2) ff.: Hier werden die vom Abkommen erfassten Steuern aufgelistet, unter anderem:

    • Frankreich: Einkommensteuer (IR), Körperschaftsteuer (IS), die Vermögensteuer (ISF, ersetzt durch IFI seit 2018, das Abkommen gilt indes analog weiter) usw.

    • Deutschland: Einkommensteuer (Einkommensteuer), Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Vermögensteuer, Grundsteuer etc.

Praxishinweis: Obwohl das IFI (seit 2018) im Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt wird (da dort ISF steht), betrachtet Frankreich das IFI meist als Nachfolger des ISF für die Zwecke solcher Doppelbesteuerungsabkommen. Etwaige behördliche oder bilaterale Präzisierungen bleiben abzuwarten.

2. Artikel 2: Allgemeine Definitionen


  • Artikel 2(1): Geographische Definitionen für Frankreich (einschließlich Überseedépartements) und Deutschland (Geltungsbereich des Grundgesetzes).

  • Artikel 2(3–4): Definitionen für „Person“, „Ansässiger“, „Betriebsstätte“ usw.

    • Der Begriff „Betriebsstätte“ ist entscheidend für das Recht zur Erhebung der Unternehmenssteuern.

    • Kriterien: „feste Geschäftseinrichtung“ (Büro, Zweigniederlassung, Baustelle über 12 Monate usw.).

  • Artikel 2(8): „Zuständige Behörde“ ist in Frankreich das Finanzministerium bzw. der bevollmächtigte Vertreter und in Deutschland das Bundesministerium der Finanzen oder eine von diesem ermächtigte Stelle.

Praxishinweis: Es ist stets zu prüfen, ob eine Baustelle mehr als 12 Monate andauert, da dies zu einer Betriebsstätte führen kann und damit das Besteuerungsrecht ändert.

B. Besteuerungsregeln nach Einkunftsarten (Artikel 3–18)


1. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Artikel 3)


  • Artikel 3(1)–(5): Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (inklusive Zubehör) werden in dem Vertragsstaat besteuert, in dem sich das betreffende Vermögen befindet.

    • Gilt auch für Einkünfte aus unmittelbarer Nutzung, Vermietung oder sonstiger Verwendung von Immobilien.

    • Der Begriff „unbewegliches Vermögen“ richtet sich nach dem Recht des Staats, in dem sich das Objekt befindet; Schiffe sind davon ausgenommen.

    • Für die Vermögensteuer (siehe Artikel 19) gilt die Regelung sinngemäß.

Praxishinweis: Ein in Frankreich ansässiger Steuerpflichtiger, der in Berlin eine Wohnung vermietet, wird dort in Deutschland besteuert. Frankreich kann dann beispielsweise entweder eine Steuerfreistellung mit Progressionsvorbehalt gewähren oder eine Steuergutschrift anrechnen, je nach in Artikel 20 vorgesehenen Mechanismen.

2. Unternehmensgewinne (Artikel 4 und 5)


  • Artikel 4: Gewerbliche Einkünfte

    • Grundsatz: Gewinne eines Vertragsstaats werden nur dort besteuert, es sei denn, ein Unternehmen unterhält eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat. In diesem Fall kann der andere Staat die Gewinne besteuern, die dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind.

    • Artikel 4(3) regelt die Behandlung von Personengesellschaften: Die Gewinnanteile eines Gesellschafters werden im Staat der Betriebsstätte besteuert, und zwar nur anteilig entsprechend seiner Beteiligung.

    • Artikel 4(2) legt das „Fremdvergleichsprinzip“ zugrunde: Die Betriebsstätte wird fiktiv als eigenständiges Unternehmen behandelt (Preise unter fremdüblichen Bedingungen).

  • Artikel 5: Verbundene Unternehmen

    • Liegt eine gegenseitige Abhängigkeit (Leitung/ Kapitalbeteiligung) zweier Unternehmen vor und weichen die vereinbarten Geschäfts- oder Finanzbeziehungen vom Fremdüblichen ab, können Gewinne, die ohne diese Bedingungen erzielt worden wären, in einem der Staaten hinzugerechnet werden.

Praxishinweis: Die OECD-Vorschriften zum Fremdvergleich finden hier Anwendung. Bei deutsch-französischen Unternehmensstrukturen sind Transferpreissachverhalte kritisch zu beobachten, um spätere Nachversteuerungen zu vermeiden.

3. Internationale Transporte (Artikel 6)


  • Artikel 6(1): Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen oder Flugzeugen im internationalen Verkehr werden ausschließlich in dem Staat besteuert, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet.

  • Artikel 6(2): Gleiches gilt für Binnenschiffe.

  • Artikel 6(3): Befindet sich der Ort der Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (selten), gilt als dieser Ort der Hafen des Heimathafens bzw. bei Fehlen eines Heimathafens der Staat des Unternehmersitzes.

Praxishinweis: Reedereien und Fluggesellschaften müssen den tatsächlichen Ort ihrer Geschäftsleitung nachweisen. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Pools (Code-Sharing etc.) existieren.

4. Veräußerungsgewinne (Artikel 7)


  • Artikel 7(1): Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens werden im Belegenheitsstaat besteuert.

  • Artikel 7(2): Gewinne aus der Veräußerung beweglicher Wirtschaftsgüter, die einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, können im Staat dieser Betriebsstätte besteuert werden.

  • Artikel 7(3): Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen, Flugzeugen oder Binnenschiffen im internationalen Verkehr werden im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung besteuert.

  • Artikel 7(4): Werden mehr als 50 % des Werts der Anteile einer Gesellschaft durch Immobilien im anderen Staat repräsentiert, können Veräußerungsgewinne aus diesen Anteilen im anderen Staat besteuert werden.

  • Artikel 7(6): Die sog. „Wegzugsbesteuerung“ (Exit Tax) ermöglicht einem Staat, die Wertsteigerung auf Anteile auch nach Aufgabe des Wohnsitzes zu besteuern, wenn die Person mindestens fünf Jahre ansässig war und dann den Staat verlässt.

Praxishinweis: Die Klausel in Artikel 7(4) ist insbesondere für Immobiliengesellschaften von Bedeutung. Auch bei mittelbaren Immobilieninvestitionen durch eine Kapitalgesellschaft kann das Belegenheitsprinzip zur Anwendung kommen.

5. Dividenden (Artikel 9)


  • Artikel 9(1): Dividenden, die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an einen in dem anderen Staat ansässigen Empfänger gezahlt werden, sind im Wohnsitzstaat des Empfängers steuerpflichtig.

  • Artikel 9(2): Der Quellenstaat kann jedoch eine Quellensteuer erheben, die auf 15 % des Bruttobetrags der Dividende begrenzt ist.

  • Artikel 9(3): Ist die Beteiligung mindestens 10 %, sind Dividenden von einer französischen Gesellschaft an ihre in Deutschland ansässige Muttergesellschaft (und umgekehrt) teils befreit, vorbehaltlich besonderer Bedingungen und späterer Änderungen durch die diversen Protokolle.

  • Artikel 9(4): Das frühere Anrechnungssystem über „avoir fiscal“ bzw. „précompte“ für deutsche Empfänger ist weitgehend durch Kredit- oder Befreiungssysteme ersetzt.

  • Artikel 9(9): Einkünfte, die eigentlich Dividenden sind, aber im Quellenstaat abzugsfähig (bestimmte hybride Finanzinstrumente), unterliegen dort ggf. unbeschränkt der Besteuerung.

Praxishinweis: Für grenzüberschreitende Unternehmensstrukturen ist es wichtig zu prüfen, ob eine Beteiligung von mindestens 10 % vorliegt und ob damit ein erhöhter Entlastungsanspruch (5 % oder gar 0 %) bei Quellensteuern besteht. Das Änderungsprotokoll von 2015 präzisierte u. a. auch Ausnahmen bei bestimmten Immobilienfonds.

6. Zinsen (Artikel 10)


  • Artikel 10(1): Grundsätzlich werden Zinsen (Obligationen, Darlehen usw.) nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert.

  • Artikel 10(2): Ausnahme, wenn der Empfänger im anderen Staat eine Betriebsstätte hat und die Forderung dort zuzurechnen ist, dann kann jener Staat besteuern.

  • Im Abkommen selbst wird für Zinsen keine ausdrückliche Quellensteuer erlaubt; nach innerstaatlichem Recht könnten Zinsabzüge bestehen, doch wurde durch die Protokolle i. d. R. ein sehr niedriger oder gar 0%-Satz vorgesehen.

Praxishinweis: Nach dem Protokoll von 2015 sind etwa Zinsen aus französischer Quelle an in Deutschland Ansässige regelmäßig befreit, sofern entsprechende Antragsformulare (z. B. Vordruck 5002) eingereicht werden.

7. Vergütungen von Organmitgliedern (Artikel 11)


  • Artikel 11(1): Tantiemen, Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen werden in dem Staat besteuert, in dem der Empfänger ansässig ist.

  • Artikel 11(2): Allerdings kann der Quellenstaat eine Quellensteuer erheben.

  • Artikel 11(3): Andere Vergütungen (z. B. für leitende Funktionen) unterliegen Artikel 12 oder 13.

Praxishinweis: Es ist genau zu unterscheiden, was echte Verwaltungsrats- oder Aufsichtsratsbezüge sind und was unter Arbeitslohn oder freiberufliche Vergütung fällt.

8. Freiberufliche und sonstige selbständige Tätigkeit (Artikel 12)


  • Artikel 12(1): Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit werden in dem Staat besteuert, in dem die Tätigkeit persönlich ausgeübt wird, wenn eine ständige Einrichtung (installation permanente) besteht.

  • Artikel 12(3): Verweist analog auf Artikel 4(4) für die Gleichstellung mit einer Betriebsstätte.

Praxishinweis: Ein französischer Architekt, der nur gelegentlich in Deutschland arbeitet und dort kein dauerhaftes Büro unterhält, bleibt in Frankreich steuerpflichtig. Besteht jedoch ein ständiges Büro in München, sind die dort erzielten Einkünfte in Deutschland zu versteuern.

9. Arbeitslohn und ähnliche Bezüge (Artikel 13) und Sonderregeln


  • Artikel 13(1): Einkünfte aus unselbständiger Arbeit werden in dem Staat besteuert, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.

  • Artikel 13(4): Die 183-Tage-Regelung (kurzfristige Tätigkeiten).

  • Artikel 13(5): Grenzgänger: werden grundsätzlich nur in ihrem Wohnsitzstaat besteuert, sofern sie in der Grenzzone wohnen und arbeiten und täglich zurückkehren.

    • Das Protokoll von 2015 führte Artikel 13a ein: Dieser regelt einen finanziellen Ausgleich (1,5 % der Lohnsumme) zwischen beiden Staaten.

  • Artikel 13(6): Leiharbeitnehmer: werden im Tätigkeitsstaat und im Wohnsitzstaat besteuert. Ein entsprechender Abzug oder eine Anrechnung vermeidet Doppelbelastungen.

  • Artikel 13(7): „Abhängige Arbeit“ umfasst auch bestimmte Geschäftsführerfunktionen in Gesellschaften, die der Körperschaftsteuer unterliegen.

  • Artikel 13(8): Private Renten und Pensionen werden im Wohnsitzstaat besteuert (nach der Fassung 2015 gibt es teils Ausgleichsregelungen für Sozialversicherungsrenten, Artikel 13c).

Praxishinweis: Die Grenzgängerregel ist besonders sensibel. Man muss u. a. prüfen, ob nicht mehr als 45 Tage pro Jahr außerhalb der Grenzzone gearbeitet wird, da sonst das Grenzgängerprivileg wegfällt. Auch Leiharbeit kann komplexe Doppelbesteuerung auslösen.

10. Künstler, Sportler, Models (Artikel 13b)


  • Eingeführt durch das Protokoll vom 31. März 2015 (ersetzt ältere Bestimmungen).

  • Einkünfte von Künstlern, Sportlern oder Models sind im Tätigkeitsstaat zu besteuern, auch wenn sie im anderen Staat ansässig sind.

  • Anti-Missbrauchsklausel: Werden Honorare nicht direkt an den Künstler, sondern an eine andere Person gezahlt, kann der Tätigkeitsstaat dennoch besteuern.

  • Ausnahme: Wenn der Aufenthalt überwiegend durch öffentliche Mittel des anderen Vertragsstaates finanziert wird, wird nur im Wohnsitzstaat besteuert.

Praxishinweis: Diese Regelungen orientieren sich an den OECD-Standards für Künstler und Sportler, beziehen aber Models explizit ein.

11. Öffentliche Bezüge und Pensionen (Artikel 14)


  • Öffentliche Löhne, Gehälter und Pensionen, gezahlt von einem Staat an eine Person für gegenwärtige oder frühere Dienste, werden grundsätzlich nur in diesem Staat besteuert.

  • Ausnahme: Ist der Empfänger im anderen Staat ansässig und besitzt nicht die Staatsangehörigkeit des zahlenden Staats, erfolgt die Besteuerung im Wohnsitzstaat.

  • Für Staatsbetriebe gewerblicher Art gelten ggf. die Regeln von Artikel 13.

Praxishinweis: Entspricht dem üblichen Muster, wonach Gehälter im öffentlichen Dienst vom Arbeitgeberstaat besteuert werden, sofern keine anderen Faktoren (z. B. fehlende Staatsbürgerschaft) dagegensprechen.

12. Lizenzgebühren (Artikel 15)


  • Lizenzgebühren (Urheberrechte, Patente, Marken etc.) werden nur im Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten besteuert.

  • Ausnahme: Sind sie einer Betriebsstätte im anderen Staat zuzurechnen, kann jener Staat sie nach Artikel 4 besteuern.

  • Vergütungen für Bodenschätze (Bergbau) gelten nicht als Lizenzgebühren, sondern fallen ggf. unter Artikel 3 oder 4.

Praxishinweis: Bestätigt das in Deutschland und Frankreich gängige Prinzip, dass Lizenzen primär im Wohnsitzstaat versteuert werden. Quellensteuern auf Lizenzen sind hier in der Regel nicht vorgesehen.

13. Lehrer, Studenten, Auszubildende (Artikel 16 und 17)


  • Artikel 16: Lehrer und Dozenten, die bis zu zwei Jahre im anderen Staat eine Lehrtätigkeit ausüben, bleiben nur in ihrem Wohnsitzstaat steuerpflichtig.

  • Artikel 17: Studierende, Auszubildende oder Praktikanten, die sich nur zu Studien- oder Ausbildungszwecken im anderen Staat aufhalten, sind für ihre aus dem Ausland stammenden Unterhalts- oder Ausbildungsbeihilfen dort nicht steuerpflichtig.

Praxishinweis: Insbesondere im Rahmen von Austauschprogrammen relevant. Die Zweijahresgrenze muss beachtet werden.

14. Nicht besonders genannte Einkünfte (Artikel 18)


  • Einkünfte, die nicht in den vorherigen Artikeln genannt sind, werden ausschließlich im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert, sofern nicht andere Bestimmungen greifen.

  • „Restklausel“ für alle Einkunftsarten, die im Abkommen nicht ausdrücklich erfasst sind.


C. Vermeidung der Doppelbesteuerung, Gleichbehandlung, Amtshilfe (Artikel 19–31)


1. Vermögensbesteuerung (Artikel 19)


  • Verteilt das Besteuerungsrecht am Vermögen:

    • Immobilien: Besteuerung im Belegenheitsstaat.

    • Bewegliches Betriebsvermögen: Besteuerung im Staat der Betriebsstätte.

    • Schiffe, Flugzeuge im internationalen Verkehr: im Staat des Orts der Geschäftsleitung.

    • Andersartiges Vermögen: Besteuerung im Wohnsitzstaat.

  • Besondere Klausel: Deutsche Staatsangehörige ohne französische Staatsangehörigkeit, die ihren Wohnsitz nach Frankreich verlegen, sind für bestimmte fünf Jahre für ihr Auslandsvermögen von der französischen ISF/IFI befreit.

Praxishinweis: Damit wird die Zuzugsbesteuerung für deutsche Staatsbürger erleichtert. Im Hinblick auf das IFI (beschränkt auf Immobilienvermögen) ist Artikel 19 entsprechend sinngemäß anzuwenden.

2. Artikel 20: Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung


  • Deutschland: wendet vornehmlich die Freistellungsmethode (mit Progressionsvorbehalt) an, außer bei Einkünften aus Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren usw., wo das Anrechnungsverfahren greift.

  • Frankreich: wendet in der Regel die Anrechnung (Steuergutschrift) an, allerdings beschränkt auf die Höhe der französischen Steuer für jene Einkünfte. Teilweise wird die Freistellung angewandt (mit Progressionsvorbehalt).

  • Vermögen: Frankreich gewährt eine Anrechnung auf die IFI in Höhe der in Deutschland gezahlten Steuer auf Vermögen, begrenzt auf die französische Steuer für dieselben Vermögensteile.

Praxishinweis: Die Details variieren nach Einkunftsart (z. B. Beteiligungen). Die jeweils neueste Fassung von Artikel 20 ist zu berücksichtigen.

3. Diskriminierungsverbot (Artikel 21)


  • Klassische Klausel: Keine stärkere oder andere Besteuerung für Staatsangehörige oder juristische Personen des anderen Staats als für eigene Staatsangehörige in vergleichbarer Situation.

  • Erweiterung: Gilt auch für Staatenlose, Betriebsstätten, Kapitalgesellschaften usw.

  • Artikel 21(6): Regelt z. B. grenzüberschreitende Rentenbeiträge.

  • Artikel 21(8): Befreiungen und Vergünstigungen bei Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

Praxishinweis: In der Praxis selten als Hauptargument vor Gerichten, aber durchaus als ergänzender Verteidigungsansatz nutzbar.

4. Artikel 22 und 23: Verwaltungszusammenarbeit und Beitreibung


  • Artikel 22: Informationsaustausch umfassend, sofern nicht Berufsgeheimnis oder ordre public entgegenstehen.

  • Artikel 23: Gegenseitige Unterstützung bei der Eintreibung von Steuerschulden (durch das Protokoll 2015 spürbar erweitert).

Praxishinweis: Ein in einem Staat vollziehbarer Steuerbescheid kann mithilfe des anderen Staats in dessen Hoheitsgebiet vollstreckt werden. Steuerpflichtige sollten sich darüber im Klaren sein, dass eine Flucht ins Nachbarland die Eintreibung nicht mehr verhindert.

5. Artikel 24–26: Diplomaten, Verwaltungsregelungen, Ausdehnung des Abkommens


  • Artikel 24: Besondere Regelungen für Diplomaten und Konsularbeamte; Besteuerung meist im Entsendestaat.

  • Artikel 25: Verständigungsverfahren – jedermann kann sich an die zuständige Behörde wenden, wenn die Abkommensvorschriften nicht beachtet scheinen.

    • Das Protokoll von 2015 vereinheitlicht das Verfahren und führt nach Ablauf von drei Jahren ein obligatorisches Schiedsverfahren ein (in bestimmten Fällen).

  • Artikel 26: Verwaltungsmaßnahmen und Möglichkeit der Ausdehnung der Amtshilfe.

Praxishinweis: Das Verständigungsverfahren kann eine zügige Lösung bringen. Erfolgt binnen drei Jahren keine Einigung, so kann nach Artikel 25(5) das Schiedsverfahren eingeleitet werden.

6. Artikel 27–31: Territoriale Ausdehnung, Inkrafttreten, Kündigung


  • Artikel 27: Möglichkeit zur Ausdehnung auf andere Gebiete (z. B. überseeische Gebietskörperschaften), durch Notifikation.

  • Artikel 28: Anwendung auf das Land Berlin.

  • Artikel 29: Ratifikation, Inkrafttreten und Geltungstermine für die verschiedenen Steuerarten.

  • Artikel 30: Geltungsdauer und Kündigungsmöglichkeiten.

  • Artikel 31: Aufhebung des Abkommens von 1934, Übergangsbestimmungen.

Praxishinweis: Vor allem sind die teils unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens der Änderungsprotokolle zu beachten.

III. Praktische Aspekte und Umsetzung


A. Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren (Artikel 25 und 25b)


  1. Verständigungsverfahren

    • Der Steuerpflichtige kann die zuständige Behörde des Wohnsitzstaats (oder seines Staatsangehörigkeitsstaats bei Diskriminierung) innerhalb von drei Jahren nach dem ersten Steuerbescheid anrufen.

    • Die Behörden bemühen sich dann, durch ein bilaterales Abkommen eine Doppelbesteuerung abzuwenden.

    • Eine Einigung kann oft langwierige Gerichtsprozesse vermeiden.


  2. Schiedsverfahren

    • Bei Streitsachen zu Verrechnungspreisen oder anderen Doppelbesteuerungsfällen kann nach der Europäischen Schiedskonvention und auch nach Artikel 25(5) (2015er-Fassung) ein Schiedsverfahren eingeleitet werden.

    • Wenn nach drei Jahren keine Einigung erzielt ist, wird ein Schiedsgremium angerufen; dessen Entscheidung bindet beide Staaten.


  3. Praxis

    • Vorteil: Vermeidet langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen.

    • Nachteil: Das Verständigungsverfahren garantiert nicht immer kurze Fristen, das Schiedsverfahren dagegen schafft einen klaren Endzeitpunkt.

    • Empfehlung: Die Unterlagen gut aufbereiten, damit die Behörde leichter erkennt, dass eine unzutreffende Doppelbesteuerung vorliegt.


B. Informationsaustausch und grenzüberschreitende Steuerprüfungen


  1. Automatischer Informationsaustausch

    • Bezieht sich teils auf Dividenden, Zinsen, Gehälter, Wohnsitzwechsel, Immobilienübertragungen etc.

    • Ergänzt durch EU-Richtlinien (DAC6) und internationale Abkommen (FATCA, CRS).

  2. Austausch auf Ersuchen

    • Bei Verdacht auf Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung kann ein Staat den anderen um Auskünfte ersuchen.

  3. Beitreibungshilfe

    • Eine Steuerforderung eines Staats kann im anderen Staat beigetrieben werden, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.

  4. Praxis

    • Früher setzten einige darauf, Bankkonten oder Einnahmen in Deutschland oder Frankreich zu „verstecken“. Heute ist das angesichts des automatischen Austauschs von Kontodaten und Steuerinformationen deutlich riskanter.


C. Veranschaulichende Beispiele


  1. Französische KMU mit Vertrieb in Deutschland

    • Ohne „feste Einrichtung“ (kein Büro, kein ständiger Mitarbeiter) bleiben die Gewinne in Frankreich steuerpflichtig.

    • Falls eine Betriebsstätte (z. B. Vertriebsniederlassung) entsteht, besteuert Deutschland die ihr zurechenbaren Gewinne, die nach Artikel 4 und 20 freizustellen oder anzurechnen sind.

  2. Französischer Grenzgänger, der täglich in Deutschland arbeitet

    • Er kehrt täglich nach Frankreich zurück und wird grundsätzlich in Frankreich besteuert (Artikel 13(5)). Deutschland erhebt keine Lohnsteuer, erhält aber über Artikel 13a einen finanziellen Ausgleich (1,5 % der Lohnsumme).

    • Vorsicht: Wird die 45-Tage-Grenze für Tätigkeiten außerhalb der Grenzzone überschritten, entfällt der Grenzgängerstatus.

  3. Deutscher Investor mit Mietobjekt in Paris

    • Die Mieteinnahmen werden in Frankreich besteuert (Artikel 3). In Deutschland bleiben sie regelmäßig freigestellt, aber mit Progressionsvorbehalt.

    • Bei der französischen Vermögensteuer (ISF/IFI) wird die Wohnung in Frankreich erfasst. Eine ggf. in Deutschland anrechenbare Steuer kann abhängig vom nationalen Recht sein.

  4. Deutsche Gesellschaft schüttet Dividenden an ihre französische Tochter aus

    • Die Quellensteuer in Deutschland ist auf 5 % begrenzt (Artikel 9(5)), falls die französische Gesellschaft mindestens 10 % hält.

    • In Frankreich werden Dividenden im Regelfall im Mutter-Tochter-Verfahren zu 95 % befreit (Artikel 145 und 216 CGI), sodass nur 5 % der Dividende steuerpflichtig bleiben.


Schlussfolgerung


Das deutsch-französische Doppelbesteuerungsabkommen in seiner konsolidierten Fassung bleibt ein unverzichtbares Instrument für jeden Steuerpflichtigen, Investor oder Geschäftstreibenden, der auf beiden Seiten des Rheins agiert. Es regelt die Verteilung der Besteuerungsrechte und sorgt für eine erhebliche Rechtssicherheit. Dennoch stellt seine Anwendung eine Herausforderung dar: Das Nebeneinander innerstaatlicher Regelungen, EU-Richtlinien, Zusatzprotokolle und Verständigungsvereinbarungen kann zu einem komplexen Gebilde führen.


Daher ist es äußerst ratsam:

  • Die zutreffende Einkunftsart (Immobilien, Dividenden, Gehälter usw.) zu ermitteln;

  • Die anwendbare Zuteilungsregel (Wohnsitz- oder Quellenstaat) anzuwenden;

  • Die Methode zur Doppelbesteuerungsvermeidung (Freistellung oder Anrechnung) zu bestimmen;

  • Die Erklärungspflichten und ggf. erforderlichen Formulare (Reihe 5000, 5001 usw.) zu beachten, um Quellensteuerentlastungen korrekt zu beantragen;

  • Bei Streitfällen ein Verständigungs- bzw. ein Schiedsverfahren in Betracht zu ziehen.


In Zeiten verstärkter Kontrolle und automatischem Informationsaustausch ist ein fundiertes Verständnis der Abkommensregeln unerlässlich. Die Beratung durch einen im internationalen Steuerrecht versierten Anwalt, der mit den Feinheiten des Abkommens und den neuesten Rechtsentwicklungen vertraut ist, kann wesentlich dazu beitragen, Transaktionen abzusichern und unerwartete Fallstricke zu vermeiden.




Obwohl diese Übersicht bereits umfangreich ist, ersetzt sie keine individuelle Beratung. Jede Situation erfordert eine Prüfung der aktuellen Gesetzeslage, der jeweiligen Protokolle und der Rechtsprechung. Dennoch liefert sie eine solide Grundlage, um die Hauptprinzipien des deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens zu verstehen und deren Auswirkungen auf die eigene Steuerpflicht zu ermessen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

 
 
 

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